Die COVID-19-Pandemie hat viele Branchen direkt oder indirekt hart getroffen, und aller Voraussicht nach werden viele Unternehmen die Auswirkungen der Pandemie auch noch längerfristig spüren. Zwar sind durch die ersten Impferfolge mittelfristig wieder positive Entwicklungsperspektiven für die betroffenen Unternehmen absehbar, aber die am härtesten betroffenen Branchen, wie die Tourismuswirtschaft oder der Einzelhandel, werden sicherlich noch einige Zeit unter den wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns und des geänderten Konsumentenverhaltens zu leiden haben.
Um die Folgen für betroffene Unternehmen sowie Selbständige und Arbeitnehmer abzumildern, griff die Bundesregierung zu verschiedenen Maßnahmen, wie beispielsweise der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund konnte die Zahl der Unternehmensinsolvenzen bis heute auf einem historisch niedrigen Niveau gehalten werden.
Trotz aller Bemühungen ist – je nach Entwicklung des weiteren Pandemiegeschehens – mit einer Zunahme von Insolvenzen zu rechnen. Dies ist nicht zuletzt auf die fehlende Liquidität zurückzuführen, die nach Ende der Pandemie für den Working-Capital-Aufbau in Wachstumsphasen benötigt wird. Auch der Eigenkapitalverzehr aus den Verlusten wird sich spürbar auswirken.
Unternehmen, die sich über die Corona-Kreditprogramme zusätzliche Liquidität sichern konnten, mussten im Gegenzug Sicherheiten stellen, die nun im Falle eines konjunkturellen Hochlaufs für weitere Finanzierungsbedarfe nicht mehr zur Verfügung stehen.
Fakt ist: die Folgen der COVID-Pandemie belasten die Unternehmensbilanzen und damit die Bonität deutlich.
Zwar wurde den Unternehmen über verschiedene Maßnahmen der Bundesregierung Zugang zu zusätzlicher Liquidität ermöglicht, jedoch stellen diese Restrukturierungsfinanzierungen Unternehmen immer auch vor besondere Herausforderungen. Zum einen ist die Kreditvergabe so restriktiv wie noch nie (siehe 17. Restrukturierungsbarometer des FINANCE Magazins). Zum anderen steht dieser zusätzlichen Verschuldung keine Produktivitätssteigerung gegenüber. Folglich werden Investitionsspielräume für die profitable Entwicklung des Geschäftes deutlich eingeschränkt.
Besonders gefährdet sind Unternehmen, deren Finanzierungen in den „üblichen“ nächsten zwei Jahren zur Refinanzierung anstehen. Hier sollten Laufzeiten länger sein, um Bilanzrelationen in Ordnung bringen zu können, da der Mittelstand einen längeren Entschuldungszeitraum benötigen wird.
Staatsfonds – Instrumente zur Stabilisierung von Unternehmen
An der soeben genannten Problematik setzen „Staatsfonds“ wie der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) oder regionale Fonds wie der BayernFonds an. Zu letzterem haben auch kleinere bayerische Mittelständler Zugang, die sonst durch das Raster des WSF fallen würden.
Die Vorteile der Staatsfonds: Sie stellen den Unternehmen branchenübergreifend Stabilisierungsmaßnahmen zur Überwindung von Liquiditätsengpässen und zur Kompensation aufgrund COVID-19 erlittener Verluste zur Verfügung. Dies gelingt durch Garantien zur Absicherung von Krediten und Kapitalmarktprodukten im Bereich des Fremdkapitals sowie durch Nachrangdarlehen und Stille Beteiligungen (Rekapitalisierung).
Wie schon im Kontext anderer Maßnahmen der Bundesregierung zur Stabilisierung von Unternehmen ist der Zugang zu den Staatsfonds nur möglich, wenn die betroffenen Unternehmen am 31. Dezember 2019 nicht als „Unternehmen in Schwierigkeiten“ gemäß EU-Definition galten. Darüber hinaus müssen die Unternehmen nach Umsetzung der Stabilisierungsmaßnahme über eine klare eigenständige Fortführungsperspektive nach Überwindung der Pandemie verfügen. Zudem muss die wirtschaftliche bzw. systemische Relevanz des Unternehmens und ein volkswirtschaftliches Interesse an der Fortführung gegeben sein.
Als Zugangsvoraussetzung zum WSF müssen außerdem mindestens zwei der drei folgenden Kriterien erfüllt sein: mehr als 43 Millionen Euro Bilanzsumme, mehr als 50 Millionen Euro Umsatz p.a. und mehr als 249 Beschäftigte. Der Zugang zum BayernFonds hingegen ist bereits ab einer Bilanzsumme von 10 Millionen Euro, mehr als 10 Millionen Euro Umsatzerlöse p.a. sowie mindestens 50 Arbeitnehmern möglich.
Stabilisierungsmaßnahmen durch einen Staatsfonds als „Last Resort“ sind allerdings immer nur dann möglich, wenn keine anderweitigen Finanzierungsmöglichkeiten verfügbar sind, wie beispielsweise durch KfW-Sonderprogramme oder andere Landes- und Bundesbürgschaften.
Die Garantien in Form modifizierter quotaler Ausfallbürgschaften für Neukredite (bis zu 90 Prozent) haben beim WSF ein Mindestvolumen von 5 Millionen Euro und sind nach oben begrenzt auf maximal das Doppelte der Lohn- und Gehaltszahlungen einschließlich Sozialabgaben sowie auf 25 Prozent der Umsatzerlöse des Kreditnehmers 2019 oder des Finanzbedarfs der kommenden zwölf Monate. Beim BayernFonds sind auch Ausfallbürgschaften unter 5 Millionen Euro Volumen möglich. Die Laufzeit für die Garantien ist auf maximal fünf Jahre begrenzt.
Sicher ist: Die mit der Gewährung der Ausfallbürgschaften verbundenen Bedingungen (wie Vergütungsbeschränkungen, Ausschüttungs- bzw. Dividendenverbote und angemessene Gesellschafterbeiträge) sind für nicht wenige mittelständische Unternehmen eine Herausforderung. Aber auch die bereits bestehenden Finanzierungspartner haben mit der Aussetzung von Regeltilgungen auf Bankkredite bis Ende 2021 und der Festschreibung von Kreditlinien bis Ende 2022 Eingriffe in bestehende Verträge zu akzeptieren.
Bei den Rekapitalisierungsmaßnahmen wird zwischen Nachrangdarlehen und Stiller Beteiligung unterschieden. Während Nachrangdarlehen ausschließlich zur Absicherung der Liquidität dienen, zielt die Stille Beteiligung zusätzlich auch auf die Wiederherstellung der vor der COVID-19-Pandemie vorhandenen Eigenkapitalquote ab. Ziel dabei ist, den Unternehmen durch angemessene Bilanzstrukturen das Einwerben komplementären Fremdkapitals an den Kredit- und Kapitalmärkten zu ermöglichen. Dabei ist die maximale Höhe der Stillen Beteiligung auf das Volumen begrenzt, das erforderlich ist, um die Eigenkapitalquote vom 31. Dezember 2019 wiederherzustellen. Durch die Nachrangigkeit der Rekapitalisierungsinstrumente gegenüber allen Gläubigern im Insolvenz- und Liquidationsfall eröffnen sich für Unternehmen wie auch Finanzierungspartner neue Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten.
Mit Laufzeiten von bis zu sieben Jahren (bei börsennotierten Unternehmen bis zu sechs Jahren) werden den betroffenen Unternehmen ausreichend lange Entschuldungszeiträume gewährt, wodurch zukünftige Refinanzierungen erleichtert werden sollen. Der Zeitraum kann im Fall einer erforderlichen Verlustaufholung auf bis zu zehn Jahre verlängert werden. Aber auch eine vorzeitige Rückführung ist jederzeit und ohne Vorfälligkeitsentschädigung zulässig.
Aktuelle Herausforderungen der Rekapitalisierung durch Staatsfonds
Mittlerweile konnten auch Mittelständler (neben den öffentlich bekannten Fällen wie Lufthansa) das Antragsverfahren des Staatsfonds erfolgreich abschließen. Allerdings weisen viele Fälle eine recht lange Prozesslaufzeit auf, teilweise mehrere Monate von der Antragstellung bis zur Entscheidung und Auszahlung. Dies liegt an den Zugangsvoraussetzungen, die erst geklärt werden müssen, und der erforderlichen Darlegung der volkswirtschaftlichen Relevanz des Unternehmens.
Als erschwerend im Prozessverlauf erweist sich oftmals auch ein fehlender Einigungswille der beteiligten Stakeholder (Gesellschafter, bisherige Finanzierungspartner und Staat). So gehören zu den Anforderungen des Staatsfonds einerseits relevante Gesellschafterbeiträge, andererseits konfliktträchtige Anpassungsbedarfe bei bestehenden Kredit- oder Konsortialverträgen, wo gegebenenfalls Laufzeiten verlängert, Kündigungsgründe ausgesetzt, Covenant-Regeln angepasst, Tilgungen verschoben und Zinsniveaus angepasst werden müssen. Diese substanziellen Eingriffe in bestehende Finanzierungsverträge führen nicht selten zu herausfordernden Verhandlungen mit den Mandataren des Staatsfonds, die sich ihrerseits wiederum die Verhandlungsergebnisse in Kontrollgremien genehmigen lassen müssen. Hinzu kommt, dass diese Eingriffe gegebenenfalls mit einer abweichenden Bewertung der Stillen Beteiligung als wirtschaftliches Eigenkapital durch die Banken einhergehen, was auf die Rückführungsverpflichtung innerhalb von z.B. sieben Jahren zurückzuführen ist.
Die Anforderungen der Staatsfonds an die Gesellschafter und Organe der betroffenen Unternehmen sind nicht zu unterschätzen. So sind erhebliche Gesellschafterbeiträge, Deckelungen von Vergütungen, Ausschüttungs- bzw. Dividendenverbot, umfassende Informationspflichten sowie Beschränkungen bei Unternehmenszukäufen vorgeschrieben. Nicht zuletzt dürfen die Rekapitalisierungsmaßnahmen nicht zur Umschuldung genutzt werden.
Grundsätzlich gilt: Ab einem Finanzierungsbedarf von über 100 Millionen Euro bestehen bei den rekapitalisierenden Stabilisierungsmaßnahmen Möglichkeiten zur individuellen Strukturierung, solange man sich innerhalb der Vorgaben des Stabilisierungsfondsgesetzes sowie der Durchführungsverordnung zum Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz bewegt. Auch ist eine Kombination von Garantien, Nachrangdarlehen und Stiller Beteiligung grundsätzlich möglich.
Unsere Erfahrung ist, dass – im Gegensatz zu KfW- und Landesbürgschaftsprogrammen – die Gestaltungs- sowie Entscheidungsspielräume auf Seiten des Staates durchaus großzügiger sind. Entscheidungen werden nicht einfach standardisiert auf Basis von Voraussetzungen gefällt; sehr wichtig ist auch der politische Wille zur Rettung von Unternehmen mit wirtschaftlicher Bedeutung für das Land oder die Region. Dies eröffnet, auch bei weniger als 100 Millionen Euro Finanzierungsvolumen, Verhandlungsspielräume und ermöglicht den Unternehmen und Finanzierern individuelle Ausgestaltungen der Rekapitalisierungsmaßnahmen. Das führt in vielen Fällen allerdings auch zu sehr anspruchsvollen Verhandlungen, da eine Vielzahl an Stakeholdern mit divergierenden Interessenslagen beteiligt ist.
Erfolgsfaktoren für eine effektive Antragstellung
Transparente Kommunikation
Zur optimalen Gestaltung des anspruchsvollen Antragsprozesses empfiehlt es sich, die beteiligten Stakeholder frühzeitig in eine offene und zielgerichtete Kommunikation einzubinden. Dabei ist eine regelmäßige Information aller Beteiligten über den Fortschritt im Antragsprozess unerlässlich. Auf diese Weise können bereits von Beginn an alle unterschiedlichen Interessenlagen bestmöglich berücksichtigt werden.
Professionelle Unterlagen
Ergänzend zu einer kommunikativen Begleitung der Banken, Unternehmen und Mandatare kann eine qualifizierte Beratung den Prozess zusätzlich absichern. Dies gelingt, indem notwendige Informationen und transparent aufbereitete Sachverhalte objektiviert zur Verfügung gestellt und kommunikative Regelprozesse zur Unterstützung etabliert werden. Von elementarer Bedeutung und quasi „Herzstück“ der Unterlagen ist dabei die integrierte Mehrjahresplanung. Diese zeigt den Beteiligten sowohl die Ausgangsituation vor Beginn der Pandemie als auch die pandemiebedingten Verluste im Eigenkapital auf. Im Ergebnis werden entstehende Liquiditätsbedarfe sichtbar, auf deren Basis die Finanzierungspartner und die Mandatare der Staatsfonds über Tilgungsverschiebungen, Verlängerung von Kreditlaufzeiten und Anpassungen von Zinssätzen verhandeln können. Sehr gut eignet sich hier als Entscheidungsgrundlage ein Independent Business Review (IBR), das eine ganzheitliche Einwertung der Planung sowie des Geschäftsmodells durch einen sachkundigen Dritten zum Ziel hat.
Ganzheitliche Geschäftsmodell-Ausrichtung und Refinanzierungsfähigkeit
Damit die bestehenden Finanzierungspartner eventuellen Eingriffen in laufende Finanzierungsverträge zustimmen können – letztlich handelt es sich um neue Kreditentscheidungen – muss die Nachhaltigkeit des Unternehmensgeschäftsmodells für die Zeit nach der Pandemie eingeschätzt und bewertet werden. Hier kann es hilfreich sein, als Teil der Entscheidungsgrundlage proaktiv das oben erwähnte Independent Business Review inkl. Fortführungsprognose oder gar ein Sanierungsgutachten erstellen zu lassen. Damit werden alle wesentlichen Anforderungen der Stakeholder an Informationen, Stellungnahmen und Bewertungen erfüllt.
Angesichts der hohen zusätzlichen Verschuldung durch die Stabilisierungsmaßnahmen (denen zunächst keine oder nur geringe Profitabilitätssteigerungen gegenüberstehen) ist für die Finanzierungspartner die Bewertung der perspektivischen Refinanzierungsfähigkeit des Unternehmens nach Ablauf von Kreditlaufzeiten extrem wichtig. Eine noch nicht gesundete Bilanzstruktur bei begrenztem Sicherheitenpotenzial sowie niedrige Cashflows lassen die Finanzierungspartnern befürchten, zukünftig in eine gefühlte Zwangsprolongation zu laufen – je nach ausstehender Restlaufzeit der Stabilisierungsmaßnahmen. Entscheidend wichtig für die beteiligten Finanzierer ist daher, dass im Rahmen von Sanierungskonzepten oder Fortführungsprognosen ein besonderes Augenmerk auf die Kapitaldienstfähigkeit und Verschuldungskapazität des Unternehmens gelegt wird – unter Berücksichtigung zukünftiger Refinanzierungsnotwendigkeiten.
Da der weitere Krisenverlauf schwer prognostizierbar ist, sollten Unternehmen zudem mit verschiedenen Szenarien arbeiten. Dies ist auch im Rahmen von Independent Business Reviews oder Sanierungsgutachten üblich. Der „Financing Case“ inklusive operativer Performance-Maßnahmen stellt dabei eine konservative Erwartung an eine wirtschaftliche Erholung dar. Ergänzend wird ein „Stress Case“ erarbeitet, der als Basis für die Ableitung von Headrooms und Financial Covenants dient sowie Unwägbarkeiten absichert.