Oder: Warum Energie- und nicht Zeitmanagement entscheidend ist
Vor einiger Zeit fragte mich jemand, ob ich ihm mein „Lebensprotokoll" zuschicken könnte – eine Zusammenfassung meiner Routinen, Gewohnheiten und Tricks im Alltag. Ich stellte daraufhin alle Beiträge zusammen, die ich über die Jahre zu diesem Thema geschrieben habe, und leitete diese weiter. Die Bitte brachte mich jedoch auch auf die Idee, meine wichtigsten Erkenntnisse und Lehren der vergangenen drei Jahre einmal in einem Blogbeitrag zusammenzuführen.
Aufgrund der vielen Aspekte, die dieses „Lebensprotokoll“ inzwischen umfasst, werde ich diesen Beitrag in zwei Teilen veröffentlichen. Teil 1, den Sie gerade lesen, wird sich um Schlaf und Ernährung drehen. Teil 2 wird sich dann in 14 Tagen eingehender mit unsererkörperlichen Verfassung beschäftigen.
Zunächst aber noch ein paar Worte zur Entstehungsgeschichte dieses Best-of.
Ich bin ein Riesenfan des Selbstentwickler-Konzepts des Coach und Psychologen Jens Corssen (siehe auch unser Gespräch in Folge #27 der „SMP LeaderTalks“, „Die Selbstentwickler-Philosophie für mehr Erfolg im Leben“). Ich habe mich daher vor zwei, drei Jahren auch dem Thema körperliche Leistungsfähigkeit zugewandt. Ein Grund dafür ist sicher, dass ich langsam doch auf die 50 zulaufe und es immer schwieriger wird, mein Energielevel auf dem Niveau zu halten, das im anspruchsvollen Job eines Unternehmensberaters vonnöten ist. Im Zuge meiner Beschäftigung mit Fitnessfragen haben mich dann vor allem die evidenzbasierten Erkenntnisse in Sachen Sport, Schlaf und Ernährung sehr bewegt. Sowohl im Rahmen meines eigenen Podcast als auch zum Beispiel durch die Podcasts von Andrew Huberman, Professor an der Stanford University, habe ich mich immer wieder mit diesen Themen beschäftigt.
Vieles von dem, was ich über die Zeit gelernt habe, hat mich überrascht, beeindruckt – und zu einer Änderung manch einer Gewohnheit geführt. Viele Tipps habe ich aus Neugier direkt selbst ausprobiert, einige davon dann verworfen, andere dafür beibehalten. Auf diese Weiseist über die Zeit mein individuelles „Lebensprotokoll“ entstanden.
Ein kleiner Disclaimer vorab: Jede der genannten Empfehlungen kann auch Risiken bergen und sollte bei bestimmten Krankheiten oder Gesundheitszuständen vermieden werden. Daher bitte ich jeden, der darüber nachdenkt, darum, vor der Anwendung immer einen Arzt zu konsultieren!
Schlaf
Ganz ehrlich: Diesen Aspekt habe ich lange Zeit total unterschätzt. Während der ersten 20 Jahre im physisch sehr herausfordernden Alltag als Unternehmensberater habe ich meinen Schlaf schlicht und ergreifend vernachlässigt. Erst als ich mich dann vor rund zwei Jahren auf einen Podcast mit Christian Benedict vorbereitete, Universitätsprofessor im schwedischen Uppsala, Neurowissenschaftler und ein führender deutscher Schlafforscher (siehe Folge #18, „Schlaf als Game-Changer“), habe ich eine holistischere Sicht auf unseren Schlaf gewonnen. Zum Glück, denn so konnte ich endlich meinen Schlaf-Tracker besser verstehen, dessen Daten und Kurven mir bis dahin bisweilen Rätsel aufgegeben hatten ... ?
Die Kernbotschaft von Professor Benedict ist so simpel wie klar:
„Wer wach sein will, muss schlafen.”
Während des Schlafs läuft in unserem Gehirn ein Prozess des Sortierens ab, bei dem die Eindrücke des Tages entweder gespeichert oder bereinigt werden, um neuen „Platz“ für den kommenden Tag zu schaffen. Aber auch der Verdauungstrakt oder unser Herz-Kreislauf-System können im Schlaf pausieren und regenerieren. Darüber hinaus hilft ein tiefer Schlummer dem Immunsystem dabei, ungestört zu arbeiten und sich mit voller Kraft um die gesundheitlichen Probleme im Körper zu kümmern. Professor Benedict sagt:
„Der Schlaf ist gewissermaßen ein Spiegel dessen, was man im Wachzustand tut.”
Hier nun die wichtigsten Tipps für einen guten Schlaf, die ich aus all den vielen Büchern, Podcasts und Gesprächen gewonnen habe.
1. Ein guter Schlaf beginnt bereits am frühen Morgen. Andrew Huberman aus Stanford nennt zum Beispiel als seine wichtigste Routine, innerhalb der ersten 30 bis 60 Minuten nach dem Aufwachen Tageslicht zu tanken (ohne Sonnenbrille!). An sonnigen Tagen solle man sich morgens wie nachmittags mindestens zehn Minuten natürlichem Licht aussetzen, an sehr bewölkten Tagen jeweils 30 bis 60 Minuten. Ich selbst nutze eine spezielle Tageslichtlampe, die dem menschlichen Biorhythmus folgt.
Darüber hinaus empfiehlt Huberman, stets zum gleichen Zeitpunkt aufzustehen – und abends möglichst dann schlafen zu gehen, wenn man sich schläfrig fühlt.
2. Wenig hilfreich für einen erholsamen Schlaf ist natürlich das künstliche Licht, durch das der Mensch seit mehr als 120 Jahren die Nacht zum Tage machen kann. Mitternacht heißt nicht ohne Grund Mitternacht, doch durch den Einsatz von Elektrizität haben wir die Mitte der Nacht, zu der wir früher meist geschlafen haben, massiv nach hinten verschoben! Faktisch liegt die Mitte der Nacht für viele Menschen heute im Bereich von 3 bis 4 Uhr. Daran wäre nichts Schlimmes, wenn künstliches Licht nicht die Produktion von Melatonin hemmen würde – dem Hormon, das unseren Tag-Nacht-Rhythmus regelt. Wer gut schlafen will, sollte daher von 22 Uhr abends bis 4 Uhr morgens künstliches Licht meiden, insbesondere das sogenannte „blaue Licht“, das Computer, Tablets, Smartphones und Fernseher abstrahlen. Hubermans Rat für diese zentrale Phase der Nacht:
„Only use as much artificial lighting as is necessary for you to remain and move about safely at night. Blue blockers can help a bit at night but still dim the lights.”
Will sagen: Wer nachts aufwacht und die Toilette aufsuchen will, der möge bitte mit möglichst wenig Licht auskommen.
Und für die Romantiker unter meinen Lesern: Kerzenlicht geht absolut in Ordnung ?
3. Professor Matthew Walker, ein weiterer führender Schlafforscher, Neurowissenschaftlerund Psychologe von der University of California in Berkeley, weist darauf hin, möglichst schon nachmittags kein Koffein mehr zu sich zu nehmen. Er rät dazu, diesen Wachmacher bis zu 12 Stunden vor dem Schlafengehen zu vermeiden. Sein Kollege Huberman kommt auch mit 8 bis 9 Stunden Abstand zum letzten Kaffee gut hin – aber das dürfte am Ende einfach individuell variieren. Wichtig ist der Grundgedanke!
4. Ein guter, wichtiger Tipp: Achten Sie auf eine kühle Raumtemperatur! Christian Benedict misst der Umgebungstemperatur beim Schlafen große Bedeutung bei. Studien empfehlen, das Schlafzimmer für einen erholsamen Schlaf besser kühl als mollig warm zu halten, zwischen 17 und 19 Grad. Ein verwandter, aber etwas anders gelagerter Trick ist ein heißes Bad (respektive eine heiße Dusche) vor dem Zu-Bett-gehen, zur Not auch nur auf Hände und Füße angewendet. Der Grund: Dadurch dehnen sich die Blutgefäße, was die Abkühlung des Körpers fördert – was wiederum den Schlaf verbessert.
Was mir persönlich gut tut, ist eine Matratze, die die Körpertemperatur entlang des Schlafzyklus reguliert. Sehr teuer, aber nach meinem Gefühl wertvoll.
Darüber hinaus lohnt es sich, ein Nasenpflaster auszuprobieren. Dieses kann helfen, die Nasenlöcher leicht zu öffnen und dadurch die Atmung zu erleichtern, um auch weniger mit dem Mund zu atmen. So wacht dann auch nicht mehr mit einem ganz so trockenen Mund auf.
5. Es hat sich herumgesprochen: Besser nichts spät essen – oder gar in die Nacht hineinetwas zu sich nehmen! Wenn doch, dann empfiehlt es sich, in bester mediterraner Tradition ungesättigte Fettsäuren zu sich zu nehmen. Die sind für den Körper leichter zu verarbeitenund rauben einem deshalb nicht den Schlaf.
6. Was Nahrungsergänzungsmittel anbetrifft, ist die Einnahme von Melatonin nur bei einem Jetlag sinnvoll. Andrew Huberman empfiehlt unter den mir bekannten Ergänzungen 145 mg Magnesium Threonate oder 200 mg Magnesium Bisglycinate (meine Wahl). Andere, die er erwähnt, kenne ich nicht, daher sehe ich davon ab, sie hier zu nennen. Weitere relevante Impulse finden sich in unserem Podcast mit dem Experten Patric Heizmann (siehe Folge #6der „SMP LeaderTalks“, „Fit. Fitter. Führen. Warum nur ein gesunder Lebensstil Höchstleistung ermöglicht“).
7. Zu guter Letzt: Alkoholverzicht. Wissenschaftler sind sich einig, dass Alkohol etwa in Form eines abendlichen Biers oder Rotweins zwar dabei hilft einzuschlafen, nicht jedoch dabei, auch gesund durchzuschlafen. Professor Benedict bezeichnet Alkohol gar als Schlafkiller. Der Mensch kommt damit kaum in den Traumschlaf und erlebt eine fragmentierte, zerfaserte Nacht.
Ernährung
Das zweite Element, mit dem ich mich mit Blick auf Gesundheit und Fitness neu befasst habe, war die Ernährung. An dieser Stelle vielleicht zunächst ein Wort zu den vielen Studien und Büchern, die es dazu gibt: Evidenzbasierte Ernährungsstudien sind sehr komplex, weil sie zahlreiche wissenschaftliche Herausforderungen bewältigen müssen. Die individuellen,genetisch bedingten Unterschiede, methodische Schwierigkeiten bei Langzeitbeobachtungen und die komplexen Wechselwirkungen zwischen Nährstoffen erschweren verlässliche Aussagen. Hinzu kommen Probleme wie unzuverlässige Selbstberichte von Studienteilnehmern und potenzielle finanzielle Interessenkonflikte. Diese Faktoren machen es nahezu unmöglich, universell gültige Ernährungsempfehlungen zu formulieren.
Meine Empfehlung lautet daher wie folgt: Nehmen Sie sich bei Interesse vor, in den nächsten sechs Quartalen die gängigen Ernährungsformen abzuwechseln, zur Not sogar mit Überwachung des Blutbilds und einer Bewertung der Körperkomposition (Fettanteil, Muskelanteil etc.). Paleo, Carnivore, mediterran, flexibler Veganismus, Ketogen, Low Carb und andere – es gibt so viele unterschiedliche Formen der Ernährung, und nach Möglichkeit sollte sie einem individuell zusagen.
Nach meinen eigenen Experimenten, begleitet von einem Blutzucker-Messgerät und einer Körperkompositionsüberwachung, habe ich mich für die folgende Variante entschieden: eine eiweißbasierte Ernährung, die aus kaum verarbeiteten, möglichst biologisch hergestellten Lebensmitteln besteht und tendenziell tierischen Ursprungs ist. Die größten Nachteile dieser Spielart sind die erhöhte Umweltbelastung und sehr hohe „Unterhaltungskosten“, da Produkte in Bio-Qualität deutlich teurer sind als konventionelle.
Wesentliche Lebensmittel sind für mich heute Eier, körniger Frischkäse, Quark, Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch, Rohmilchkäse, dunkle Schokolade, Avocado, Butter, Nüsse, Honig, Quinoa, Kartoffeln und Buchweizen.
Das heißt: kein Getreide, kaum Zucker, keine veganen Ersatzprodukte, keine Samen-Öle, keine künstlich fettarmen Produkte, keine frisch gepressten Säfte – und natürlich weder Alkohol noch Zigaretten.
Die gesamte Ernährung auf dem Teller wird bei dieser Form der Ernährung um die Eiweißmenge herum aufgebaut. Ich versuche, rund 1,8 Gramm pro kg Körpergewicht zu mir zu nehmen. Professor Ingo Froböse betont, dass man mit zunehmendem Alter mehr Eiweiß benötigt, nicht weniger (siehe Podcast #51, „Quellen für mehr Lebenskraft“). Bei Bedarf und an Trainingstagen supplementiere ich rund 30 Gramm mit Proteinpulver.
Ein Wort zu künstlich fettarmen Produkten und meinen Gründen, diese zu meiden: Diese Produkte sind häufig mit Zucker angereichert, der die Blutzuckerkurve auf eine Achterbahnfahrt schickt. Sehr häufig wird auch Fruchtzucker zugesetzt – das ist besonders ungünstig, da dieser bei zu wenig Bewegung nur in Fett umgewandelt wird.
Vor allem beim Frühstück ist es besser, zu den „herzhaften“ Kalorien zu greifen statt zu Cornflakes oder Smoothies. Ein Frühstück, das den Blutzuckerspiegel und Sättigungsgefühl stabil hält, besteht aus einer gewissen Menge an Eiweiß, Ballaststoffen und Fett sowie optional Stärke und Obst. Soll heißen: Ein Croissant mit Marmelade und ein Cappuccino mit Zucker sind keine günstige Kombination – tut mir leid! ?
Interessant ist, dass man nach Möglichkeit auch die Reihenfolge beachten sollte, in der man Lebensmittel zu sich nimmt. Der Grund: Die richtige Reihenfolge kann die Glukose-Spitzen im Blut um mehr als 70 Prozent reduzieren. Richtige Reihenfolge heißt dabei, zunächst die Ballaststoffe zu uns zu nehmen, dann Eiweiß und Fett und erst zum Schluss Stärke und Zucker.
Im Alltag bedeutet das zum Beispiel: Beginnen Sie am besten mit ballaststoffreichen Salaten oder Gemüse, möglichst mit Olivenöl angereichert (statt mit Dressings – die enthalten manchmal sehr viel Zucker!). Erst danach kommen Fisch oder Fleisch respektive vegane Alternativen. Und den Abschluss bilden die Produkte, die Stärke enthalten, wie zum Beispiel Kartoffeln, Qiunoa oder Obst.
Demnach ist es also nicht sehr vorteilhaft, seine Mahlzeit mit Brot oder dem frisch gepressten Orangensaft zu beginnen. ?
Warum aber ist es sinnvoll, mit Ballaststoffen zu beginnen?
Ballaststoffe haben drei wichtige Funktionen. Sie verringern die Wirksamkeit des Enzyms α-Amylase, das für die Aufspaltung von Stärke in Glukose verantwortlich ist. Sie beeinflussen zudem die Geschwindigkeit der Magenentleerung, indem sie die Durchgangsgeschwindigkeit der Nahrung verlangsamen. Schließlich bilden sie im Dünndarm eine Art elastisches Netz, das die Aufnahme von Glukose ins Blut hemmt.
Fette aus Nahrungsmitteln wie Avocado, Butter, Öl, Fisch oder Nüssen haben die letztgenannte Funktion. Einige Fette sollten jedoch vermieden werden, insbesondere gehärtete und raffinierte Speise-Öle wie Raps-Öl, Mais-Öl, Baumwollsaat-Öl, Soja-Öl, Distel-Öl, Sonnenblumen-Öl, Traubenkern-Öl und Reiskleie-Öl.
Ein echter (weil sehr einfacher) „Life Hack“ ist ein Spaziergang von 15 bis 20 Minuten nach dem Essen. Damit können die Glukose-Spitzen im Blut um schätzungsweise 30 bis 40 Prozent gesenkt werden. Dieser Effekt beruht auf einer stärkeren Aktivierung unserer Mitochondrien. Diese nehmen die Glukose durch die Bewegung deutlich schneller auf, was zu einer Abflachung der Spitzen im Blut führt
Auch der Verzicht auf Getreide war für mich ein Game-Changer. Ich hatte in der Folge keine Hungerattacken mehr und keinen Energie-Einbruch nach dem Essen.
Darüber hinaus supplementiere ich auf Empfehlung von Dr. Michael Nehls (siehe Folge #42, „Artgerechtes Leben für unseren Hirnakku“) vor allem hochdosiert Vitamin D3/K2 und Omega 3. Hier sind wir alle unterversorgt, in einem Maß, das wir mit „normalem“ Leben nicht kompensieren können. Was ich auch sehr spürbar wahrgenommen habe, war die Supplementierung mit Creatin. Man fühlt sich dadurch kognitiv fitter und schläft besser.
Als Fazit kann ich berichten, dass diese gesamte Neuausrichtung meiner Ernährung nicht nur mein persönliches Energielevel massiv stabilisiert hat, sondern auch den Effekt hatte, dass ich keine sogenannten „Silent Inflammations“ im Körper mehr erlebe. Schulter- und Knieschmerzen waren weg (und sind es bis heute)! Absolut faszinierend.
Da ich zurzeit mehr Gewicht aufrechterhalten möchte, habe ich nach fünf Jahren auf das 18-6-Intervallfasten verzichtet. Sehr gute Erfahrungen habe ich mit dem Fasten nach Dr. Buchinger gesammelt, das ich inzwischen einmal im Jahr für eine Woche praktiziere. Das in einem professionellen Umfeld zu tun und mit Ruhe sowie Spaziergängen zu kombinieren, kann ich jedem sehr empfehlen.
Zum Abschluss eine interessante Perspektive auf die Frage: Welches einzige Lebensmittel würde ich komplett eliminieren, wenn ich es für meine Gesundheit wünschen dürfte? Meine Antwort ist klar: Zucker.
Welches einzige Lebensmittel würde ich umgekehrt forcieren? Auch hier ist meine Antwort klar: Bio-Eier! :)
Zum Schluss muss ich natürlich fragen:
Wie lautet Ihr „Lebensprotokoll“?
Was ist Ihre Lieblingsroutine, welcher Tipp hat sich in Ihren Augen am meisten bewährt?
Ich freue mich auf den Austausch und die Diskussion!