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Body first, Business second (2/2)

Autor

Georgiy Michailov

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Oder: Wie wir unsere körperliche Verfassung stärken

Im ersten Teil meines „Lebensprotokolls“ habe ich mich zum einen mit der großen Bedeutung des Schlafs für unsere Fitness sowie mit meinen Empfehlungen für eine richtige Ernährung befasst (hier der Link). Heute soll es nun um die Stärkung und Kräftigung unseres Körpers gehen. Es ist inzwischen absolut unstrittig, dass Bewegung unabdingbar ist für jeden, der ein gesundes Leben führen und ein hohes Energielevel haben möchte. Wie bei der Ernährung gibt es jedoch auch bei der körperlichen Leistungsfähigkeit unglaublich viele unterschiedliche Sichtweisen und Empfehlungen, gerade auch zur Frage, welche Art der Bewegung angebracht ist.

Grundsätzlich bringt eine ausgewogene Mischung aus Ausdauer- und Krafttraining den größten gesundheitlichen Nutzen für Körper und Psyche. Sowohl die Experten der Weltgesundheitsorganisation als auch die nationalen Empfehlungen in Deutschland raten zu mindestens 150 Minuten moderatem Ausdauertraining pro Woche (alternativ 75 Minuten mit hoher Intensität), ergänzt durch mindestens zwei Einheiten Krafttraining pro Woche. Dabei ist es wichtig, die Intensität langsam zu steigern, um den Körper immer wieder dazu anzuregen, sich anzupassen und weiterzuentwickeln.

Was meine persönliche Praxis angeht, so muss ich eine Einschränkung treffen, da ich aufgrund meines herausfordernden Jobs doch gewissen zeitlichen Restriktionen unterliege. Die Konsequenz ist, dass ich mich bewusst gegen das Ausdauertraining (worunter zum Beispiel schnelles Gehen, Radfahren oder Schwimmen fallen) entschieden habe – zugunsten des Krafttrainings. Die Kompensation für das Fehlen des regelmäßigen Ausdauertrainings erfolgt in meinem konkreten Fall durch die Hitze-Exposition. Dazu später im Beitrag mehr.

Nun aber ein paar Details zur Bedeutung des Krafttrainings. Es ist deshalb so wichtig, weil unsere Muskulatur nach neuesten Erkenntnissen ein endokrines Organ ist und Botenstoffe ausschüttet, die für unsere körperliche und psychische Gesundheit von großer Bedeutung sind. Professor Ingo Froböse, einer der bekanntesten deutschen Experten für Fitness und Gesundheit, hat dies in seinem Buch „Muskeln. Die Gesundmacher“ sehr eindrucksvoll beschrieben (siehe meinen Buchtipp).

Froböse betont, dass wir eine eigene Apotheke in unseren Körper eingebaut bekommen haben, die auf Knopfdruck Heilmittel gegen zahlreiche Krankheiten produziert – von Diabetes über Krebs bis hin zu neurodegenerativen Erkrankungen. Klingt wie Science-Fiction? Weit gefehlt! Wir alle besitzen diese Wunder-Apotheke, dank unserer Muskulatur.

Die „Pillen“ dieser Apotheke, das sind die sogenannten Myokine. Ihre Entdeckung revolutioniert unser Verständnis davon, wie Bewegung und Sport unseren Körper beeinflussen. Diese Botenstoffe erklären, warum regelmäßige körperliche Aktivität so vielfältige positive Effekte hat – von der Stärkung des Immunsystems über die Regulierung des Stoffwechsels bis hin zum Schutz vor chronischen Erkrankungen.

Es war die dänische Forscherin und Professorin Bente Klarlund Pedersen (zusammen mit Kollegen), die 2007 erstmals diese faszinierenden Botenstoffe beschrieb und ihnen ihren Namen gab. Seitdem hat sich ein völlig neues Forschungsfeld entwickelt. Wissenschaftler auf der ganzen Welt untersuchen heute die Wirkungen der verschiedenen Myokine und ihr therapeutisches Potenzial. Dabei zeigt sich immer deutlicher: Bewegung ist Medizin – und zwar eine äußerst vielseitige und nebenwirkungsarme.

Wissenschaftler gehen davon aus, dass es insgesamt etwa 3000 verschiedene Myokine gibt. Bislang sind davon indes nur rund 600 bekannt, und auch deren genaue Funktionen sind noch längst nicht vollständig erforscht.

Ich selbst bleibe bei etwa zwei bis drei Krafttrainingseinheiten pro Woche, zwei davon am Wochenende in einem Zweier-Split mit Oberkörper und Beinen. Darüber hinaus versuche ich jeden Morgen rund 100 Liegestütze auszuführen und rund fünf Minuten in ein Mobilitätstraining mit einer Stretching-App zu investieren.

Zur eigenen Disziplinierung nutze ich mehrere Geräte zur Überwachung meines Körpers. Eine sehr sinnvolle Empfehlung kann eine Körperanalyse-Waage sein. Dabei fokussiere ich auf zwei Größen: Muskelmasse und Fettanteil. Vor allem in der Entwicklung stellen diese beiden Werte spannende Messgrößen dar, die einem einiges über den eigenen Körper verraten.

Wer seinen Körper gerade auch mit Blick auf den Schlaf kontinuierlich überwacht, der wird bald mit einer Metrik konfrontiert, die erst in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen hat. Die Rede ist von der Herzfrequenzvariabilität (englisch heart rate variability, kurz HRV). Die Wissenschaft beschäftigt sich seit den frühen 1960er Jahren mit dieser Größe als einem potenziellen Marker für Resilienz, Verhaltensflexibilität und Entspannungsgrad. Einer der führenden Forscher auf diesem Gebiet ist Kuno Hottenrott, Universitätsprofessor für Trainingswissenschaft (hier der Link zum „SMP LeaderTalk“ #58 mit ihm, „Entspannungsknopf: Vagusnerv“).

Gesteuert wird die HRV von einem primitiven Teil des Nervensystems, dem autonomen Nervensystem (ANS), auch bekannt als vegetatives Nervensystem. Es reguliert automatisch unseren Blutdruck, unsere Herzfrequenz, unsere Atmung, unsere Verdauung und andere wichtige Körperfunktionen.

Das ANS ist in zwei Hauptkomponenten unterteilt: das sympathische Nervensystem und das parasympathische Nervensystem.

Die Hauptfunktion des sympathischen Nervensystems (SNS) ist die Aktivierung des Körpers in Stress- oder Gefahrensituationen, um die Kampf- oder Fluchtreaktion auszulösen. Diese Aktivierung besteht aus einer Erhöhung der Herzfrequenz, der Erweiterung der Pupillen, der Mobilisierung von Energiequellen und der stärkeren Durchblutung der Muskulatur.

Das parasympathische Nervensystem (PNS) hingegen ist für die Entspannung und Erholung des Körpers in Ruhephasen verantwortlich. Es senkt die Herzfrequenz, verengt die Pupillen, fördert die Verdauung und unterstützt die Erholung.

Beide Systeme arbeiten normalerweise parallel, um den Körper an unterschiedliche Anforderungen anzupassen. Ist das autonome Nervensystem im Gleichgewicht, fordert der Sympathikus das Herz auf, schneller zu schlagen, während der Parasympathikus dem Herzen signalisiert, dass es langsamer schlagen soll.

Die Herzfrequenzvariabilität spiegelt dieses Zusammenspiel wider und zeigt die Dynamik zwischen Sympathikus und Parasympathikus.

Ein ausgewogenes Verhältnis ist entscheidend für eine optimale Anpassungsfähigkeit des Organismus, je nach Belastung.

Eine hohe Herzfrequenzvariabilität bedeutet demnach, dass der Körper auf beide Einflussgrößen – Sympathikus und Parasympathikus – gleichermaßen reagiert.

Eine niedrige HRV bedeutet, dass ein Zweig des autonomen Nervensystems dominiert und stärkere Signale an das Herz sendet als sein Gegenspieler. In den meisten Fällen ist es der aktivierende Sympathikus, der dominant ist.

HRV kann auch ein Feedback zum persönlichen Lebensstil geben und all jene Menschen motivieren, die gesünder leben wollen. Wenn Sie mehr Achtsamkeit, Meditation, Schlaf und vor allem körperliche Aktivität in Ihr Leben integrieren, werden Sie Veränderungen der HRV feststellen. Für alle, die Daten und Zahlen lieben, könnte dies eine Möglichkeit sein zu verfolgen, wie ihr Nervensystem nicht nur auf die Umwelt, sondern auch auf Emotionen, Gedanken und Gefühle reagiert.

Zwei weitere Elemente, die ich in meinen Alltag einbaue, sind Kälte und Hitze.

Mich mit den Effekten von Kälte zu beschäftigen, eröffnete mir völlig neue Perspektiven auf sehr viele Lebensbereiche. Sich gezielt Kälte auszusetzen, kann nicht nur den Körper positiv beeinflussen, sondern auch unsere Psyche stärken (hier ein ausführlicherer Beitrag dazu, „Kälte als Lebensbooster“).

Interessant ist vielleicht noch zu wissen, dass wir morgens besonders kälteempfindlich sind. Da ich aber (wie wohl die meisten) morgens unter die Dusche gehe und auch den Kick der Frische zu Beginn des Tages erleben möchte, musste ich mich auch mit dieser Herausforderung auseinandersetzen.

Hat man sehr wenig Zeit morgens, dann ist kaltes Duschen auf jeden Fall eine unglaubliche Beschleunigung des Duschvorgangs.

Inzwischen allerdings wechsele ich kaltes Duschen mit kaltem Abduschen ab. Zu diesem Zweck empfehle ich – im Vergleich zu einer normalen Warmdusche – ein paar Veränderungen:

1. Bevor ich das Kaltwasser aufdrehe, stelle ich das Warmwasser auf die höchste Temperatur. Sowohl für heißes als auch für kaltes Wasser gilt der Grundsatz, dass es so unangenehm sein sollte, dass man der Situation entfliehen möchte. Auf jeden Fall erleichtern 30 Sekunden sehr heißes Wasser das „Aushalten“ des kalten Wassers sehr.

2. Die zweite Änderung betrifft unsere Atmung. Wir dürfen beim Kontakt mit dem kalten Wasser nicht nach Luft schnappen oder gar die Luft anhalten. Am besten ist es, in diesem Moment ganz gleichmäßig auszuatmen. Die Kunst besteht darin, sich sehr schnell vom Kälteschock zu erholen und rasch wieder gleichmäßig zu atmen. Sehr hilfreich ist eine beruhigende Atemtechnik, die von Jack Feldman, einem bekannten Neurowissenschaftler und Professor an der University of California in Los Angeles, wiederentdeckt wurde. Er ist vor allem für seine Arbeiten über die neuronalen Grundlagen der Atemkontrolle bekannt und hat wichtige Beiträge zur Erforschung des Atemzentrums im Gehirn geleistet. Er empfiehlt, zweimal ohne Unterbrechung einzuatmen und dann sehr langsam für sieben, acht Sekunden auszuatmen. Vor der kalten Dusche mache ich drei solcher Atemzüge. Beim letzten Ausatmen beginne ich dann mit kaltem Wasser. Dieses Vorgehen hilft mir sehr, die Atmung zu stabilisieren.

3. Der letzte Aspekt ist die Dauer des Abduschens. Auch hier gilt: langsam steigern. Die ersten zehn Sekunden Kälte nach dem heißen Wasser und dem anschließenden Ausatmen sind in der Regel unproblematisch. Irgendwann sollte man bei mindestens 30 Sekunden ankommen.

Eine weitere Möglichkeit, die Dauer zu steigern, habe ich in abgewandelter Form von Professor Andrew Huberman, dem Schlafforscher von der Stanford University, übernommen. Wir können bei der kalten Dusche auch von Wellen der Überwindung sprechen. Die erste Welle ist dabei die Überwindung des ersten Kältekontakts. Die zweite Welle kommt nach dem ersten langen Ausatmen,  wenn man wirklich vor dem Wasser fliehen möchte. Die dritte Welle kommt später, wenn man sich unter dem kalten Wasser dreht. Man bestimmt selbst, wie viele solcher Wellen man überstehen will. Dafür muss man keine Zeit stoppen.

Abschließend kann ich jedem nur empfehlen, einfach einmal zum Testen 30 Tage lang eine Kälte-Challenge zu machen und die körperlichen Veränderungen an sich selbst zu beobachten.

Nach der Kälte-Exposition darf auch die Hitze-Exposition nicht fehlen. Genauer gesagt: das Saunieren.

Eine wegweisende finnische Langzeitstudie mit mehr als 2.300 Männern mittleren Alters, die über 20 Jahre hinweg beobachtet wurden, wies beeindruckende gesundheitliche Vorteile des regelmäßigen Saunagangs nach. Diese Studie belegt, dass häufiges Saunieren das Risiko für plötzlichen Herztod, tödliche Herzkrankheiten und Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich reduziert. Besonders bemerkenswert ist, dass Männer, die vier- bis siebenmal pro Woche die Sauna besuchten, ein um 40 Prozent geringeres Sterberisiko aufwiesen, verglichen mit Männern, die nur einmal wöchentlich in die Sauna gingen. Natürlich müssen wir alle irgendwann sterben, aber das hinauszuzögern, scheint mir die Mühe wert!

Die Forscher stellten fest, dass ein 20 Minuten langer Saunagang bei 45 bis 100 Grad Celsius und 10 bis 30 Prozent Luftfeuchtigkeit ähnliche physiologische Reaktionen hervorruft wie ein moderates bis intensives Herz-Kreislauf-Training. Während des Saunagangs steigt die Herzfrequenz auf 100 bis 150 Schläge pro Minute. Das ist ein Wert, der durchaus mit der Belastung beim Schwimmen oder Laufen vergleichbar ist.

Die positiven Effekte umfassen eine Senkung des Blutdrucks, eine Verbesserung der Gefäßfunktion und eine Reduzierung von oxidativem Stress und Entzündungen im Körper. Zudem wurde eine positive Wirkung auf die Cholesterinwerte festgestellt: Das „gute“ HDL-Cholesterin stieg und das „schlechte“ LDL-Cholesterin ging zurück.

Die Studie ist deshalb besonders aussagekräftig, weil die Forscher mögliche Störfaktoren wie den sozioökonomischen Status und die grundlegende körperliche Aktivität in ihrer Analyse berücksichtigten. Die Ergebnisse sind auch deshalb so bedeutsam, weil sich die beobachteten gesundheitlichen Vorteile vergleichen lassen mit der Wirkung vieler verschreibungspflichtiger Medikamente (oder sogar besser sind).

In meinem persönlichen „Lebensprotokoll“ baue ich zwei Saunagänge pro Woche ein, wobei ich im ersten eine fünfminütige Ruhepause ohne Kontrastdusche einbaue und den Saunavorgang sofort wiederhole. Angeblich sollte dies die Ausschüttung von Wachstumshormonen massiv fördern.

Haben Sie auch besondere „Lebensprotokolle“ in Ihrem Alltag? Ich freue mich auf den weiteren Austausch!

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