Oder: wie Dopamin dafür sorgt, dass Gewinner immer weiter gewinnen!
Was gibt es nicht alles an Ratgeberbüchern, die einem erklären, was im Leben zum Erfolg führt: „Die Prinzipien des Erfolgs“, „52 Wege zum Erfolg“, „Die täglichen Gesetze des Erfolgs“, „Erfolgsfaktoren für XYZ“ und viele mehr, deren Inhalt man vergessen hat, sobald man sie zuschlägt. Sehr bewegt hat mich neulich hingegen eine Publikation von Dr. Andrew Huberman, Professor der Neurowissenschaft an der Stanford University in Kalifornien. Sie erzählt uns einiges mehr über Erfolg.
Huberman hat in seiner Forschung gezeigt, dass Neurotransmitter eine tragende Rolle fürs Gewinnen oder Verlieren spielen können. Er geht sogar so weit zu sagen, dass sie der Grund seien, warum die Gewinner immer weiter gewinnen. Damit wäre der Schlüssel zum Erfolg in unserem Nervensystem zu finden.
Ein aufregender Gedanke. Am besten lässt er sich anhand eines sehr bekannten sozialen Experiments mit Mäusen erklären: dem „tube dominance test“.
Die Idee des Experiments: Zwei Mäuse treten in einem Röhrchen gegeneinander an. Die dominantere Maus gewinnt, indem sie die schwächere Maus aus der Röhre hinausdrängt. Dabei gewinnen die Mäuse, die einmal gewonnen haben, auch bei Wiederholungen immer wieder.
Interessant wird das Ganze in dem Moment, in dem man die vermeintlich schwächere Maus von hinten anschubst oder eine spezielle Region in ihrem Gehirn (den „dorsalmedial prefrontal cortex“) stimuliert – mit der Folge, dass die Maus, die bisher immer verloren hat, plötzlich das erste Mal gewinnt. Damit steigt auf einmal die Wahrscheinlichkeit, dass aus ihr ein neuer „Gewinnertyp“ wird, deutlich. Nachgewiesen wurde dieses Phänomen von Hailan Hu, Professorin für Neurowissenschaftlichen an der Zhejiang University in Hangzhou, China. Es erinnert stark an den bekannten Satz aus der Start-up-Szene:
“ Fake it ‘til you make it.”
Entscheidend ist dabei vor allem die Bewegung nach vorne. Insbesondere in Situationen, in denen man Stress ausgesetzt ist oder gar Angst verspürt. In solchen Fällen ist die Flucht nach vorne die beste Lösung, sagt die Wissenschaft.
In den Worten von Andrew Huberman:
“And yet when an animal or a human takes that step forward, it triggers what we call a courage circuit – the activation of the release of a neurochemical called dopamine. We often simply see dopamine as a reward mechanism, making us feel good when we do something. But dopamine also tends to reinforce; it changes the structure of neural circuits so that we’re more likely to engage in that behavior again. In part, because it’s desirable, but in part, because the circuit itself gets wired up in a way that it’s more likely to get triggered in the future."
Huberman sagt nichts anderes, als dass wir, statt uns von Ängsten oder Stress quälen zu lassen, kämpfen sollten. Dass wir uns lieber nach vorne bewegen als in die Ecke drängen lassen sollten. Dass wir Anreize – mögen sie auch noch so negativ sein – nutzen sollten (und können), um ständig in Bewegung zu bleiben. Manchmal mag die Versuchung groß sein, sich in der Ecke, im eigenen Elend einzurichten, doch auch dann gilt: Raus aus der Komfortzone! Dann wachsen wir.
Und das Schöne an Hubermans Forschung ist: Sie zeigt uns, dass es möglich ist.
Spannend genug. Doch die interessanteste Erkenntnis dabei war für mich, dass uns der Körper nicht nur für das Erreichen eines Ziels mit Dopamin belohnt, sondern bereits auf dem Weg dorthin – für die Bewegung, die wir als sinnvoll erachten, um unser Ziel zu erreichen. Das ist ein absoluter Game Changer in Bezug auf den Umgang mit Sport (oder auch Arbeit). Schon die Überwindung der Unlust, schon die Bewegung und das Wissen, sich auf dem Weg zu einem (womöglich weit entfernten) Ziel zu befinden, kann zu einem Ausstoß an Dopamin führen. Die Belohnung finden wir also nicht erst dann, wenn sich die Bewegung in Form einer besseren körperlichen Verfassung auszahlt, sondern bereits durch das harte Training an sich. Mehr zu atomaren Systemen fürs effektive Leben findet man in den „Thoughts for Leaders #10“
Ist man überzeugt vom Weg, lässt sich somit eine bekannte buddhistische Weisheit leicht paraphrasieren:
„Es gibt keinen Weg zum nachhaltigen Dopamin. Dopamin ist der mit Entbehrungen gepflasterte Weg.“
Wer das beherzigt, genießt selbst den schwersten Weg – und fällt nicht in ein Loch, wenn er sein Ziel erreicht hat und sein Dopamin aufgebraucht ist.