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Mentale Kontrastierung und WOOP-Methode

Autor

Georgiy Michailov

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Oder: Wie unsere Wünsche tatsächlich in Erfüllung gehen können

Es gibt eine Vielzahl an Ratgebern, die sich mit dem Thema Zielerreichung und Anpassung von Routinen befassen. Ich selbst bin ein großer Fan von „Atomic Habits“, des Bestsellers von James Clear (deutscher Titel: „Die 1%-Methode“) mit der Botschaft, dass

Konsistenz auf Dauer Intensität deutlich schlägt

(mehr dazu in meinen Beitrag „Atomare Systeme fürs effektive Leben“). Es bleibt das Problem, dass Lösungsansätze zu diesen Themen selten wissenschaftlich fundiert oder empirisch ausreichend validiert sind.

Umso mehr habe ich mich gefreut, von der Forschung zu erfahren, die Gabriele Oettingen betreibt. Sie ist Professorin für Psychologie an der New York University und der Universität Hamburg, und in ihrer Arbeit befasst sie sich seit langer Zeit mit Zukunftsdenken und Selbstregulation. Basierend auf mehr als zwanzig Jahren Forschung hat sie eine Strategie entwickelt, die sich als sehr effektiv erwiesen hat:

das mentale Kontrastieren in Kombination mit Durchführungsvorsätzen, eine Methode, die Prof. Oettingen „WOOP“ getauft hat.

Positives Denken und Visualisierung der Wunschvorstellungen allein reichen nicht aus, um tatsächlich ans Ziel zu kommen – auch wenn es zunächst logisch erscheinen mag, dass positive Zukunftsvorstellungen dabei helfen, unsere Wünsche zu erfüllen.

Die Forschung zeigt, dass das reine Schwelgen in positiven Fantasien über die erwünschte Zukunft sogar kontraproduktiv sein kann.

Eine Studie mit Studierenden, die sich den erfolgreichen Übergang vom Studium in den Beruf vorstellten, zeigte: Je häufiger die Studierenden positiven Fantasien über diesen Übergang nachhingen, desto weniger Bewerbungen verschickten sie tatsächlich, und desto geringer war ihr späteres Einkommen. Ähnliche Effekte fanden sich auch in Studien zu Menschen mit dem Wunsch abzunehmen und Untersuchungen zu zwischenmenschlichen Beziehungen.

Der Grund dafür ist, dass das Schwelgen in positiven Zukunftsvorstellungen in uns Menschen den Eindruck erweckt, die erwünschte Zukunft sei bereits erreicht. Dies hemmt die Mobilisierung der Energie, die zum tatsächlichen Erreichen des Ziels nötig wäre. Um unsere Wünsche umzusetzen, brauchen wir somit mehr als nur die positive Visualisierung des gewünschten Zustands.

Hier kommt die Strategie des mentalen Kontrastierens ins Spiel. Dabei stellen wir uns zunächst unseren Wunsch und das schönste Ergebnis seiner Erfüllung vor. Anschließend identifizieren wir das zentrale Hindernis, das der Realisierung dieses Wunsches im Weg steht. Indem wir Zukunft und Realität so gegenüberstellen, erkennen wir, ob unser Wunsch tatsächlich erreichbar ist.

Ist das Hindernis überwindbar, entsteht eine starke Zielbindung, und wir werden versuchen, den Wunsch umzusetzen. Ist das Hindernis hingegen nicht zu überwinden, sinkt unsere Motivation, und wir können den Wunsch loslassen oder anpassen. Eine Studie zeigte zum Beispiel, dass übergewichtige Teilnehmer, die ihre positiven Fantasien über die erhoffte Gewichtsreduktion mental kontrastierten, erfolgreicher waren als jene, die sich diese nur in den schönsten Farben ausmalten.

Mentales Kontrastieren wirkt, indem es die nicht-bewussten Assoziationen zwischen Zukunft und Realität sowie zwischen Realität und zielführenden Handlungen beeinflusst. So aktiviert es die Energie, die es zur Zielerreichung braucht. Zugleich hilft es, Rückschläge konstruktiv zu verarbeiten.

Um die Hindernisse, die beim mentalen Kontrastieren identifiziert werden, noch effektiver zu überwinden, kann man das mentale Kontrastieren mit Durchführungsvorsätzen kombinieren. Durchführungsvorsätze (Implementation Intentions) sind Wenn-Dann-Pläne, die eine kritische Situation mit einer konkreten Handlung verknüpfen. Diese Kombination aus mentalem Kontrastieren und Durchführungsvorsätzen bezeichnet Oettingen als WOOP.

Das Kürzel steht für vier Schritte: Wish (Wunsch), Outcome (Ergebnis), Obstacle (Hindernis) und Plan (Wenn-Dann-Plan). So könnte eine WOOP-Übung zum Thema „gesündere Ernährung“ vereinfacht folgendermaßen aussehen:

1. Wish: Ich möchte mich gesünder ernähren.

2. Outcome: Ich stelle mir vor, wie zufrieden und energiegeladen ich mich fühle, wenn ich mich gesünder ernähre.

3. Obstacle: Mein größtes Hindernis ist, dass ich immer wieder zu ungesunden Snacks greife, wenn ich Hunger habe.

4. Plan: Wenn ich zwischen den Mahlzeiten Hunger bekomme, dann werde ich zu Obst statt zu Snacks greifen. Ichstelle mir dafür eine Schale Obst auf den Tisch.

Diverse Studien zeigen die Wirksamkeit von WOOP in verschiedenen Lebensbereichen. So half WOOP …

… Studierenden, ihre Noten zu verbessern,

… Pflegekräften, ihre Alltagsprobleme besser zu lösen, und

… übergewichtigen Frauen, langfristig mehr Obst und Gemüse zu essen.

In einer Studie wurden zum Beispiel rauchende Studentinnen angeleitet, entweder WOOP anzuwenden oder nur positiv zu denken. Die WOOP-Gruppe berichtete zwei Wochen später von größeren Fortschritten bei der Reduktion ihres Zigarettenkonsums als die Vergleichsgruppe.

WOOP ist eine effektive Strategie zur mentalenSelbstregulation, die in unterschiedlichsten Zusammenhängenangewendet werden kann – von der Gesundheit über Leistung bis hin zu zwischenmenschlichen Beziehungen. Im Gegensatz zu anderen Ansätzen der Verhaltensänderung zielt WOOP nicht darauf ab, Überzeugungen oder Einstellungen zu verändern. Stattdessen wirkt es direkt auf das Verhalten. Wenn dieses eine Veränderung erfährt und sich dadurch Erfolge einstellen, verändern sich nachgeschaltet auch Überzeugungen und Einstellungen.

„WOOP gibt allein die Struktur vor, in die jeder seine ganz persönlichen Wünsche, Ergebnisse, Hindernisse und Pläne einfügen kann. Somit basiert WOOP auf der Idee, dass wir die besten Experten für unser Leben sind“,

betont ProfessorinOettingen in einem Beitrag mit zwei Kolleginnen.

WOOP versieht uns mit einem flexiblen Werkzeug, mit dem wir selbstständig unsere wichtigsten Wünsche umsetzen können. Es kann jederzeit individuell angewendet werden. Alles, was man benötigt, sind fünf bis zehn Minuten, in denen man ruhig und entspannt ist – und sich Zeit zum Nachdenken nehmen kann.

Obwohl WOOP eine sehr wirksame Methode ist, gibt es natürlich auch Grenzen und Herausforderungen bei der Anwendung. So kann es beispielsweise sein, dass Menschen mit sehr rigiden Denkmustern oder stark ausgeprägter Ungeduld weniger von WOOP profitieren. Auch sehr komplexe oder langfristige Ziele erfordern möglicherweise eine zusätzliche Unterteilung in Zwischenziele. Letztlich hängt der Erfolg immer vom individuellen Kontext und den Fähigkeiten des Anwenders ab.

Wer WOOP ausprobieren möchte, sollte sich die kostenfreie WOOP-Webseite woopmylife.org ansehen, die den gesamten Prozess digital begleitet (eine App hilft dabei). So können wir WOOP jederzeit und überall in unser Leben integrieren und unsere Ziele Schritt für Schritt verwirklichen.

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